Weserbergland/Niedersachsen. Das Landvolk Niedersachsen sieht sich in seiner Kritik an dem Messstellennetz zur Beurteilung der Grundwasserqualität bestärkt. Fast jede zweite Messstelle weist gravierende Mängel auf. Dieses Ergebnis hat ein Fachgutachten des Büros Hydor Consult mit Sitz in Berlin ergeben.

„Die Ergebnisse sind aus unserer Sicht erschreckend und bestärken uns in unserer Kritik an dem bisherigen System“, fasst Landvolkpräsident Albert Schulte to Brinke zusammen. Das Gutachten belegt Mängel an den bautechnischen Zuständen zahlreicher Messstellen, deren gesamtes Netz wird als wenig repräsentativ eingestuft und eignet sich somit nicht zur Festlegung der sogenannten „Roten Gebiete“. „Das Landvolk fordert eine grundlegende Überprüfung der Messstellen sowie einen Neuzuschnitt des gesamten Messnetzes und daraus resultierend eine fundierte Überarbeitung der Gebietsausweisung“, fasst Schulte to Brinke die aus dem Gutachten resultierenden Forderungen des Landvolkes zusammen. „Die Ergebnisse des Fachgutachtes liefern uns gute Argumente für die Klage gegen die erneute Änderung der Düngeverordnung“, sagt Schulte to Brinke.

Das Gutachten hat 41 Grundwasserkörper hinsichtlich ihres Zuschnittes mit den zugehörigen Typflächen/Teilräumen analysiert. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die geringe Dichte der Messstellen in den Grundwasserkörpern nicht repräsentativ ist. Die ausgewiesenen Messstellen bilden nicht die reale Landnutzung ab. Das unterirdische Fließverhalten des Grundwassers wird zudem bei der Abgrenzung der Grundwasserkörper nicht ausreichend beachtet. 648 Messstellen wurden konkret auf ihre Qualität überprüft, parallel dazu die auf Grundlage dieser Messstellen beruhende Zustandsbeschreibung der Grundwasserkörper nach EU-Recht. 190 der 648 überprüften Messstellen weisen gravierende Mängel auf, beispielsweise in den bautechnischen Anforderungen. An weiteren 194 Messstellen belegt das Gutachten noch geringe Mängel. In 264 Fällen ist die Dokumentation der Ausbaupläne der Messstellen für eine Bewertung unzureichend, deshalb sind belastbare Aussagen zur Nitratbelastung dieser Messstellen nicht möglich. Hydor hat dazu eine Vielzahl von Parametern entlang der Messstellen abgeprüft. Schließlich sieht das Fachgutachten nach einem Vergleich der Messstellennetze europäischer Nachbarländer und der Schweiz mit dem in Deutschland eine nachteilige Behandlung der deutschen Landwirte gegenüber den europäischen Kollegen.

Das von der Hydor in der Verantwortung von Dr. Stephan Hannappel erarbeitete Gutachten haben 23 Kreisverbände im Landvolk Niedersachsen in Zusammenarbeit mit der Landesgeschäftsstelle in Auftrag gegeben. Es trägt den Titel „Evaluierung der Einstufung von 41 Grundwasserkörpern in den schlechten chemischen Zustand wegen Nitrat für den zweiten Bewirtschaftungsplan nach EG-WRRL in 2015 durch den NLWKN“. Die Ergebnisse wurden Umweltminister Olaf Lies und Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast bereits vorab übermittelt. Im direkten Gespräch will das Landvolk seine Kritik gegenüber den beiden Ministern sowie dem NLWKN als zuständiger Fachbehörde gern erläutern. „Wir Landwirte stehen zu unserer Verantwortung für den Gewässerschutz“, sagt Schulte to Brinke. Dazu müssten gesicherte, glaubhafte und präzise Daten vorliegen. Gerade vor der großen Bedeutung, die dem Ergebnis jeder einzelnen Messstelle bei der Festlegung der Düngeauflagen in den so genannten „roten Gebieten“ zukomme, müsse deren Aussagekraft absolut unangreifbar sein. „Die Landwirte müssen sich darauf verlassen können, dass schlechte Messstellenwerte auch valide sind“, betont der Landvolkpräsident. Dem Messnetz komme eine Schlüsselfunktion im Rahmen des Wasserschutzes zu, die daraus abgeleiteten Maßnahmen zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Flächen müssen daher sehr sorgfältig begründet sein.

Quelle: https://landvolk.net/lpdartikel/fast-jede-2-messstelle-mit-gravierenden-maengeln

pdfKurzversion des Gutachtens


Statement von Karl-Friedrich Meyer (Vorsitzender des Landvolkes Weserbergland)

Dass das Grundwassermessstellennetz in Niedersachsen mangelhaft ist, spiegelt sich auch im Ergebnis der Begutachtung der beiden für die im Landkreis Schaumburg ausgewiesenen nitratsensiblen Gebiete verantwortlichen Messstellen wider: Es handelt sich um die Messstellen Altenhagen I (Messstellen-ID 40000277) und Blumenau bei Wunstorf (Messstellen-ID 40003055). Beiden Messstellen attestiert der Gutachter gravierende Mängel. Bemängelt wurde bei beiden Messstellen insbesondere der Ausbauzustand. In beiden Fällen sei die Positionierung des Filters in Bezug auf die Grundwasserdruckfläche nicht regelgerecht. Dieses kann dazu führen, dass Teile des Filters bei schwankendem Grundwasserstand oberhalb des Grundwasserstandes liegen und mit dem Sauerstoff der Umgebungsluft in Kontakt kommen. Dadurch werden die Denitrifikationsprozesse im Boden und Grundwasser verfälscht und es werden höhere Nitratwerte gemessen, als sie in der gemessenen Tiefe tatsächlich vorliegen. Bei der Messstelle Blumenau kommt als weiterer bedeutender Mangel hinzu, dass sie zur Grundwasseroberkante nicht regelgerecht abgedichtet ist. So kann Oberflächenwasser eindringen und das Messergebnis zusätzlich direkt beeinflussen. Hinzu kommen bei beiden Messstellen weitere Abweichungen vom regelgerechten Zustand. So sei die Überschüttung nicht regelgerecht und bei Altenhagen I weiche auch der Ausbaudurchmesser von der Norm ab.
Darüber hinaus kommt der Gutachter auch zu dem Ergebnis, dass die im Rahmen der Binnendifferenzierung erfolgte Festlegung der Teilräume bei den beiden für Schaumburg maßgeblichen Grundwasserkörpern "Mittlere Weser Lockergestein rechts" und "Leine Lockergestein links" gravierende Mängel aufweist.
Damit bestätigt das Gutachten die in unsere Stellungnahme zur Landesdüngeverordnung vorgebrachte Kritik, dass die für die Ausweisung nitratsensibler Gebiete im Landkreis Schaumburg verantwortlichen Messstellen nicht repräsentativ sind für die Nitratbelastung des Grundwassers. Nach dem Erlass der Bundesdüngeverordnung am vergangenen Freitag sind die Bundesländer nun aufgefordert, nach Vorgaben des Bundes bis zum Jahresende die Gebietskulissen zu überprüfen und neu festzulegen. Wir erwarten, dass das Umweltministerium in Hannover dazu endlich Messergebnisse verwendet, die aus regelgerechten Messstellen stammen und sich bei der Festlegung der Teilräume an kleinräumigeren Gegebenheiten der Grundwasserdeckschichten orientiert. Eine Klage gegen das neue Düngerecht steht dabei immer noch im Raum. Dieses hängt nun auch davon ab, wie eng das "Korsett" ist, das der Bund den Bundesländern bei der Festlegung der Gebietskulisse anlegen wird.